Grundsätzlich gilt: ist ein Autofahrer bei einem Unfall nicht angeschnallt und zieht er sich auch dadurch Verletzungen zu, muss er sich ein Mitverschulden zurechnen lassen. Der BGH hat nun aber entschieden, dass dies nicht immer der Fall sein muss.
In dem entschiedenen Fall war ein Kfz auf der Autobahn gegen die Mittelleitplanke gestoßen und blieb auf der linken Spur stehen. Die Fahrerin schnallte sich, um aussteigen zu können, ab. In diesem Augenblick kollidierte ein anderes Fahrzeug mit dem ihren, die Fahrerin wurde schwer verletzt.
Die Versicherung des Unfallgegners war der Auffassung, die Fahrerin treffe hier ein Mitverschulden, weil sie nicht angeschnallt gewesen sei. Das kann aber schon wegen des Wortlauts in § 21a Abs. 1 StVO nicht der Fall sein, wo es heisst:
“Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein.”
Da sich aber die Kollision nicht “während der Fahrt” ereignet hatte, bestand in diesem Fall auch keine Pflicht für die Fahrerin, angeschnallt zu bleiben, sondern wegen § 34 Abs. 1 StVO sogar eine Pflicht, sich abzuschnallen (§ 34 StVO: Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte unverzüglich zu halten, den Verkehr zu sichern und bei geringfügigem Schaden unverzüglich beiseite zu fahren, sich über die Unfallfolgen zu v ergewissern, Verletzten zu helfen etc.).
Dies hat der BGH auch so gesehen und der Versicherung die volle Haftung auferlegt.
BGH, Urteil vom 28. 2. 2012 – VI ZR 10/11 (Link zum Urteil)
RA Florian Sakolowski