Verwirkung des Klagerechts bei Eigenkündigung

LAG Köln, 26.04.2018, 7 Sa 677/17

Macht eine Arbeitnehmerin erstmals mehr als 8 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist einer Eigen- Kündigung den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend, nachdem sie dessen Beendigung zuvor mehrfach gerichtlich und außergerichtlich bestätigt hatte, so liegt ein Fall prozessualer Verwirkung ihres Rechtsschutzbegehrens vor.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch Eigen- Kündigung der Klägerin Ende Juni 2016 beendet wurde oder über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbestanden hat. Die Klägerin war seit 01.11.2015 als Reinigungskraft bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 13.06.2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit folgender Formulierung: „Hiermit kündige ich zum 25.06.1916. Da mir noch 10 Tage Urlaub zustehen und ich den nehme, ist für mich der Montag der letzte Arbeitstag. …“. Ob der Klägerin tatsächlich Urlaub gewährt wurde oder sie noch eingesetzt wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Am Dienstag, den 28.06.2016, gab die Klägerin ihr überlassene Schlüssel an einen Kunden zurück, der den Reinigungsvertrag mit dem Beklagten gekündigt hatte, sowie noch in ihrem Besitz befindliche Arbeitsmaterialien an den Beklagten. Nach diesem Zeitpunkt arbeitete die Klägerin nicht mehr für den Beklagten. In der Folgezeit stritten die Parteien über Restlohn- und Urlaubsabgeltungsansprüche. Sowohl außergerichtlich als auch in der Klageschrift ließ die Klägerin sinngemäß mitteilen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten „mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat.“ Erstmals mit Schriftsatz vom 10.03.2017 ließ die Klägerin im Wege der Klageerweiterung geltend machen, dass das Arbeitsverhältnis „nicht mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt fortbesteht“. Zur Begründung führte sie aus, dass sie nach dem 25.06.2016, nämlich am 27.06. und 28.06.2016, noch gearbeitet habe und das Arbeitsverhältnis nach diesem Zeitpunkt von niemandem formwirksam beendet worden sei. Das Arbeitsgerichts Köln hat dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat vor dem LAG Köln allerdings Erfolg.

Entscheidungsanalyse:

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eigen – Kündigung der Klägerin vom 13.06.2016 mit Ablauf der von der Klägerin einzuhaltenden Kündigungsfrist, spätestens aber zum 30.06.2016. Ein Fall des § 625 BGB liegt nicht vor. Außerdem verstößt das Vorgehen der Klägerin gegen die von ihr ausgesprochene Eigenkündigung gegen § 242 BGB, denn es liegt ein Fall prozessualer Verwirkung vor. Aus dem Inhalt des Kündigungsschreibens der Klägerin geht hervor, dass die Klägerin eine ordentliche, fristgerechte Kündigung aussprechen wollte (hier die Kündigungsfrist aus dem für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28.06.2011). Ausgehend davon wäre der Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist tatsächlich auf Montag, den 27.06.2016 zu datieren gewesen. Diese Überlegungen sprechen dafür, die Widersprüche im Text des Kündigungsschreibens der Klägerin dahingehend aufzulösen, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit zum Montag, dem 27.06.2016 beenden wollte und sich somit bei der Wahl des Datums „25.06.1916“ nicht nur in der Jahreszahl, sondern auch im Kalendertag vertan hat. Nach dem 27.06.2016 hat die Klägerin für den Beklagten keine Arbeitsleistungen mehr erbracht, die eine Grundlage für die Anwendung des § 625 BGB darstellen könnten. Reinigungsleistungen hat die Klägerin am 28.06.2016 nicht mehr erbracht. Die Rückgabe von Kundenschlüsseln, für deren Empfang sie persönlich quittiert hatte, und ebenso die Rückgabe des ihr überlassenen Arbeitsmaterials an den Betrieb des Beklagten stellen keine Arbeitsleistungen dar, die als „Fortsetzung des Dienstverhältnisses“ im Sinne von § 625 BGB interpretiert werden könnten. Unabhängig davon ist es der Klägerin auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich jetzt noch darauf zu berufen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch ihre Eigenkündigung vom 13.06.2016 spätestens zum 30.06.2016 beendet wurde. Die Klägerin hat sich mehr als 8 Monate Zeit gelassen, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Damit ist das Zeitmoment der Verwirkung in Anbetracht des für Bestandsstreitigkeiten geltenden beschleunigten Klärungsinteresses als erfüllt anzusehen. Aber auch das Umstandsmoment ist hier gegeben, so das LAG Köln. Zum einen hat die Klägerin persönlich zu keinem Zeitpunkt nach dem 28.06.2016 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eingefordert, sondern am 28.06.2016 sämtliche überlassenen Arbeitsmaterialien an den Beklagten zurückgegeben. Darüber hinaus wurde mehrfach (außergerichtlich und zunächst gerichtlich) bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat. Der Beklagte musste daher nicht mehr damit rechnen, dass die Klägerin im Frühjahr 2017 den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend machen würde.

Praxishinweis:

Mit Urteil vom 21.09.2017 – 2 AZR 57/17 – hat das BAG klargestellt, dass die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG und die Fiktionswirkung des § 7 KSchG auf die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers keine Anwendung finden. Gleichzeitig hat der 2. Senat aber betont, dass ein entsprechendes Klagerecht wegen dem Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung verwirkt sein kann.